Never confuse faith, or belief – of any kind – with something even remotely intellectual.

John Irving, A Prayer for Owen Meany (1989)

Droschke.

3 Minuten Lesedauer
Ins Wortmuseum dieses Blogs kommen Wörter, die im Dahinschwinden begriffen sind, weil keiner sie mehr mit dem Allerwertesten anguckt. Was phänomenal schade ist.
Altes, offensichtlich handretouchiertes Photo einer Droschke mit drei vorgespannten Pferden. Die Räder sind aus Holz, der Sitz ist mit rotem Samt bezogen, der Kutscher trägt einen langen, weiten Mantel und eine typische Kopfbedeckung des Kaiserreichs.
Bild: Wikimedia (gemeinfrei).

Angesichts der atemberaubend voranschreitenden Klimakatastrophe steigen derzeit – längst nicht genügend, aber immerhin: – einige Menschen vom Automobil um aufs Zweirad. Wie wäre es aber, sie erinnerten sich an ein noch etwas älteres Fahrzeug? Das Fahrrad nahm ab den 1860er-Jahren die Form an, die wir heute noch kennen, aber schon etwa 1815 führten der Dessauer Pferdehändler Alexander Mortier und der Berliner Israel Moses Henoch ihren Mietkutschendienst ein. Von da an waren Droschken die Vorgängerinnen unseres heutigen ÖPNV.

Ich weiß, ich weiß; es wird nicht dazu kommen. Zu langsam, zu unbequem, und was ist bei Regen (dann wird das Verdeck hochgezogen, —duh—¹), und was ist mit den Pferdeäpfeln (naja, zugegeben …) – aber vor allem: Gut zwei Jahrhunderte später nimmt das Tierwohl im Bewusstsein von – längst nicht genügend, aber immerhin: – einigen Menschen einen weit höheren Stellenwert ein als damals.

¹ € 5 in die Anglizismuskasse!

Das Wort aber, das so schöne, zugleich weiche und doch eckige, zugleich sanfte und energische, das mit einem samtigen Klang beginnt und mit einem überraschend hinausgeschleuderten Stoß endet, das Wort »Droschke«, das gehört doch gerettet!

Inzwischen gibt’s Droschken vor allem noch in Wien und Salzburg, und da werden sie meist ganz und gar anders genannt (aber auch recht hübsch: »Fiaker«).

Wie also erhalten wir dieses an eine mit einem weichen Bleistift, mindestens 2 B, gezeichnete Höhle in der Dämmerung erinnernde Wort? Vielleicht, so die fromme Hoffnung, trägt ja dieser Text wenig­stens ein µ, ein Quentchen dazu bei.

Und wenn auch das Vehikel Droschke ganz offensichtlich deutschen Ursprungs ist, stammt das Wort dafür doch aus Russland. Das Wiktionary schreibt: Droschke geht auf das russische дрожки (drožki) leichte Kutsche zurück, welches seinerseits ein Pluraletantum [ein Wort, das nur im Plural vorkommt] zu дрога (droga) Verbindungsstange zwischen der hinteren und der vorderen Achse des Wagens ist und dessen Pluralform дроги (drogi) für Wagen und Gefährt steht.

Objektiv ist es um das Gerät nicht schade – um das Wort dafür umso mehr. Vielleicht sollte mal jemand ein Start-up gründen, das die Optik der ursprünglichen Droschken mit einer ausgeklügelten Elektromotor-lädt-sich-selbst-mit-Solarenergie-Konstruktion verbindet.

Die dann natürlich wieder »Droschke« heißt, sonst bringt das ja nichts.

Und nein, bitte nicht eDroschke, iDroschke oder xDroschke!


 

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