Reförmchen.

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Eine sehr alte, schwarze Schreibmaschine mit gelbem Firmenschriftzug »Corona« und einem schwarz-roten Farbband.
Bild: Johnny Briggs via Unsplash.

Wer das WERNERPRISE°-Blog aufmerksam liest, wird schon gesehen haben, dass manchmal ungewohnte Schreibweisen auftauchen.

Das sind keine Flüchtigkeitsfehler (also, zumindest normalerweise nicht).

Hier folgt ein kleiner Blick in den Rückspiegel, genauer, ins Jahr 1996. Da trat die große Rechtschreibreform deutschsprachiger Länder in Kraft. Natürlich nicht aus heiterem Himmel; vorausgegangen waren seit 1980 Gespräche, Konferenzen, zahlreiche Vorschläge (von denen glücklicherweise viele, wie Keiser statt Kaiser und Bot statt Boot, nicht aus den Kinderschuhen herauswuchsen).

Seitdem ist mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen, im Laufe dessen immer wieder Reformen der Reform vorgenommen wurden, so dass sie mittlerweile wirklich nur noch den Titel »Reförmchen« verdient. Sehr vieles, was zwischen ’96 und 2006 verbindliche Neuschreibung war, wurde zur Kann-Regel zurückentwickelt. Inzwischen geht wieder vieles, und das ist auch besser so.

Einiges geht trotzdem nicht. Also, zumindest nicht offiziell. Hier aber schon!

  1. Siebzehn Mal wurde sein Antrag abgelehnt (…) — nope¹, lieber Duden, darauf kannst du noch so sehr bestehen, bei WERNERPRISE° heißt es weiterhin wie früher siebzehn mal oder siebzehnmal. Das großgeschriebene Mal kennzeichnet ein Ereignis und ist als solches ein Nomen, also großzuschreiben, das stimmt (Nur dieses eine Mal noch, schwor sie sich). Aber das mal([nehm]en) mit Zahlen ist eine mathematische Angelegenheit. Kein*e Mathelehrer*in käme wohl auf die Idee, wieviel ist 3 Mal 7 an die Tafel zu schreiben. Da könnte ja jede*r kommen und wieviel ist 21 Geteilt Durch 3 schreiben.
  2. Noch mal Groß- und Kleinschreibung: Wenn nach einer Reform etwas nicht mehr logisch ist, dann ist die Reform nicht logisch. Wieso sollte es die beiden, aber die Einzigen heißen? In dieser Verwendung ist einzige ein Pronomen, steht also stellvertretend für ein Nomen (das vorher vorkommt oder auch nicht). Hier heißt es weiter die einzigen.
  3. In Zeiten, in denen es üblich ist, sieben bis siebzehn Feuer-Emojis 🔥 🔥 🔥 unter einen Post zu setzen, klingt die Devise weniger ist mehr vielleicht komisch, aber: Dreifach-Konsonanten sind ästhe­tische Unfälle. So wichtig (und beäng­stigend) die Kippunkte in der Klimadebatte auch sind, Kipppunkte sind sie trotzdem nicht, und die Schiffahrt kommt auch be­stens ohne drittes F aus.
    (Übrigens stehen auch Satzzeichen ungern in größeren Gruppen zusammen, ganz unabhängig von irgendeiner Reform: Das Fragezeichen sollte überhaupt nur einfach verwendet werden, das Ausrufezeichen höch­stens dreimal², und die Kombination aus beiden gibt es nur in genau einer Form: »?!«

¹ € 5 in die Anglizismuskasse!
² Obwohl die noch relativ junge Variante !!!1!1!111!! zugegebenermaßen lu­stig ist …

Und hier noch einige Kann-Regeln, bei denen die bevorzugte Schreibweise des Dudens von WERNERPRISE° mit Nachdruck ignoriert wird:

Ein Delphin springt kraftvoll aus spritzenden Wellen empor.
Bild: Flavio via Unsplash.
  1. Wir fotografierten mit unseren Telefonen Delfine, während Dörte Saxofon spielte. Mag sein, aber nicht in diesem Blog. Hier wird photographiert, telephoniert, Saxophon gespielt, und Delphine werden leider nur auf dem Bildschirm beobachtet. Aber das schöne, aus dem Griechischen stammende PH bleibt bitte, und sei es nur aus philosophischen Gründen (die nämlich nach wie vor nicht mit F geschrieben werden – siehe oben, Kinderschuhe; es stand auch mal die »Filosofie« zur Debatte).
  2. Unsere Kleine ist schon sehr selbstständig! Das ist schön, aber nur inhaltlich – viele nicht Deutsch sprechende Menschen mögen unsere Sprache vor allem deswegen nicht, weil sie so hart und zackig zischend ist. Ein doppeltes ST macht uns in Griechenland oder Frankreich nicht gerade beliebter. Und, mal ehrlich: Es klingt wirklich ein bisschen gemein und sieht noch nicht mal gut aus. Also bleibt’s hier bei selb­ständig.
  3. (Am Rande, weil’s gerade passt: Heutzutage wird die Buchstabenkombination st getrennt, wenn sie an ein Zeilenende fällt. Früher hieß es: Trenne nie ST, denn es tut ihm weh! Was natürlich Quatsch ist, Buchstaben sind mit hoher Wahrscheinlichkeit schmerzunempfindlich. Aber hier wird die alte Regel weiter befolgt, und zwar ganz ohne Begründung, einfach nur weil: is’ schöner. Es funktioniert be-stens statt bes-tens, das kennen die mei-sten statt meis-ten. Zugegeben: Geschmackssache. Aber darüber lässt sich bekanntlich nicht streiten. Und die Website schriftdeutsch.de hat noch eine zusätzliche und bessere Erklärung; Wachs-tube, lol!)

Eine der ganz, ganz wenigen wirklich überzeugenden Post-Reform-Regelungen ist die Unterscheidung, wann das Doppel-S und wann das ß einzusetzen sind.

(Falls sich jemand nicht sicher ist: Ein kurzer Vokal vor dem scharfen S will ein Doppel-S [sie wissen], ein langer oder ein Doppel-Vokal das ß [sie weiß]. Seitdem kann man prima zwischen dem bayerischen Exzessgefäß, das gleich einen ganzen Liter Bier fasst [Mass], und dem unterscheiden, mit dem gemessen wird [Maß]).

P.S.: Wenn WERNERPRISE° für Kunden arbeitet, haben selbstverständlich deren Vorlieben Vorrang!

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