Wer wirklich noch nie, im ganzen Leben nicht, Schwierigkeiten gehabt hat, die Wörter kulminieren und kumulieren zu unterscheiden, darf jetzt zusammenpacken und nach Hause gehen. Alle anderen bleiben bitte noch einen Moment sitzen.
[Stuhlrücken und Rascheln von einer Person; sich entfernende Schritte, Türschlagen]
Okay, dann wollen wir mal.
Kulminieren stammt vom französischen Verb culminer ab, das atteindre la hauteur la plus élevée bedeutet, die höchste Höhe oder den Gipfel erreichen.
Kumulieren hingegen basiert auf dem lateinischen Verb cumulare, das ansammeln oder (sich) anhäufen bedeutet.
Wer ab und zu in den Himmel schaut, hat sicher schon mal Kumuluswolken gesehen, kleine oder auch größere Wolkenhaufen. Das wäre also eine probate Eselsbrücke: Wenn sich etwas wie Wolken zusammenballt oder anhäuft, dann kumuliert es. Wenn etwas, wie in dem alten Reinhard-Mey-Lied, bis über die Wolken reicht, dann kulminiert es dort.
Manchmal helfen auch absurde, abseitige Verwendungen beim Merken: In letzter Zeit schaffe ich es nicht mehr oft, beim Koitus zu kulminieren. (Bitte dieses Beispiel nicht gegenüber Minderjährigen verwenden und, wo nötig, einen NSFW-Sticker anbringen.)
Ins Wortmuseum dieses Blogs kommen Wörter, die im Dahinschwinden begriffen sind, weil keiner sie mehr mit dem Allerwertesten anguckt. Was phänomenal schade ist.
Ach du liebes Ü.
Nur wenige Sprachen haben es, viele sind neidisch und finden die Exotik irgendwie weird, but cool, aber wenn sie es dann nachmachen wollen, dann wird bloß ein sehr schlecht bezahlender Privattaxi-Kapitalistenverein daraus. Und die Punkte fallen obendrein auch noch ab.
Wir Deutschen, Schweizer und Österreicher aber, wir sitzen glücklich mit Ungarn, Finnen, Skoltsamen, Schweden, Esten – und natürlich vor allem Türken an einem Tisch.¹
¹ Am Rande: Weltweit gibt’s noch ein paar weitere Einsatzbereiche für den Laut Ü und den Doppelpunkt (Trema) auf dem Buchstaben Ü, weiß die Wikipedia. Und natürlich, nicht zu vergessen: das Ü-Ei!
Zurück zur Überschrift: Die deutsche Sprache hat dank des U-Umlauts (lustigerweise in HTML encodiert als ü) einige wunderschöne Wörter im Angebot.
Einige davon mit Verfallsdatum.
Ich mein, mal ehrlich – wer sagt denn heute noch mich dünkt? Das schreibt ja nicht mal mehr jemand.
Dabei ist es so hübsch!
Und so kapriziös – die Vergangenheitsform von dünkt ist deuchte! Da muss man erstmal drauf kommen als Spracherfinder*in!
Wer, wie der Verfassser dieser Zeilen, lange Zeit unhinterfragt überzeugt war, dass möchten die Grundform (Infinitiv) eines existierendes Verb ist (und nicht bloß der Konjunktiv II im Präteritum von mögen), di*er könnte auch vermuten, dass es das Verb deuchten gibt.
Aber nein.
Zurück zur Gegenwart, also dem Präsens (nicht der Präsenz!) von dünken. Wie es scheint, hat das Wort eine mindestens Cousinen-nahe Verwandschaft zum Dünkel, jener arroganten Hochnäsigkeit, wie sie nur Menschen von Stand überzeugend vorführen können, weswegen jenes Wort heute hauptsächlich noch in der Kombination Standesdünkel vorkommt.
Und ja, statt einfach kopfkratzend also, ich glaub’ ja … lieber monokeltragend 🧐 mich dünkt … zu sagen, hat schon eine gewisse Dünkelhaftigkeit an sich.
Ins Wortmuseum dieses Blogs kommen Wörter, die im Dahinschwinden begriffen sind, weil keiner sie mehr mit dem Allerwertesten anguckt. Was phänomenal schade ist.
Angesichts der atemberaubend voranschreitenden Klimakatastrophe steigen derzeit – längst nicht genügend, aber immerhin: – einige Menschen vom Automobil um aufs Zweirad. Wie wäre es aber, sie erinnerten sich an ein noch etwas älteres Fahrzeug? Das Fahrrad nahm ab den 1860er-Jahren die Form an, die wir heute noch kennen, aber schon etwa 1815 führten der Dessauer Pferdehändler Alexander Mortier und der Berliner Israel Moses Henoch ihren Mietkutschendienst ein. Von da an waren Droschken die Vorgängerinnen unseres heutigen ÖPNV.
Ich weiß, ich weiß; es wird nicht dazu kommen. Zu langsam, zu unbequem, und was ist bei Regen (dann wird das Verdeck hochgezogen, —duh—¹), und was ist mit den Pferdeäpfeln (naja, zugegeben …) – aber vor allem: Gut zwei Jahrhunderte später nimmt das Tierwohl im Bewusstsein von – längst nicht genügend, aber immerhin: – einigen Menschen einen weit höheren Stellenwert ein als damals.
¹ € 5 in die Anglizismuskasse!
Das Wort aber, das so schöne, zugleich weiche und doch eckige, zugleich sanfte und energische, das mit einem samtigen Klang beginnt und mit einem überraschend hinausgeschleuderten Stoß endet, das Wort »Droschke«, das gehört doch gerettet!
Inzwischen gibt’s Droschken vor allem noch in Wien und Salzburg, und da werden sie meist ganz und gar anders genannt (aber auch recht hübsch: »Fiaker«).
Wie also erhalten wir dieses an eine mit einem weichen Bleistift, mindestens 2 B, gezeichnete Höhle in der Dämmerung erinnernde Wort? Vielleicht, so die fromme Hoffnung, trägt ja dieser Text wenigstens ein µ, ein Quentchen dazu bei.
Und wenn auch das Vehikel Droschke ganz offensichtlich deutschen Ursprungs ist, stammt das Wort dafür doch aus Russland. Das Wiktionary schreibt: Droschke geht auf das russische дрожки (drožki) leichte Kutsche zurück, welches seinerseits ein Pluraletantum [ein Wort, das nur im Plural vorkommt] zu дрога (droga) Verbindungsstange zwischen der hinteren und der vorderen Achse des Wagens ist und dessen Pluralform дроги (drogi) für Wagen und Gefährt steht.
Objektiv ist es um das Gerät nicht schade – um das Wort dafür umso mehr. Vielleicht sollte mal jemand ein Start-up gründen, das die Optik der ursprünglichen Droschken mit einer ausgeklügelten Elektromotor-lädt-sich-selbst-mit-Solarenergie-Konstruktion verbindet.
Die dann natürlich wieder »Droschke« heißt, sonst bringt das ja nichts.
Und nein, bitte nicht eDroschke, iDroschke oder xDroschke!