Scheinbar ≠ anscheinend.

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Dies wird ein kurzer Beitrag; eher eine Art PSA oder Eselsbrücke.

Viele, sehr viele Menschen verwenden die beiden Begriffe aus der Überschrift synonym, also so, als hätten sie dieselbe Bedeutung. Das ist aber falsch.

Das sagt der Duden:
scheinbar — aufgrund einer Täuschung wirklich, als Tatsache erscheinend, aber in Wahrheit nicht wirklich gegeben

Die Eselsbrücke besteht aus einem zusätzlichen Wort, nämlich nur. Die Beispiele des Duden:
— das ist nur ein scheinbarer Widerspruch
— er ist nur scheinbar unabhängig

Es scheint also nur so.

Das Adverb anscheinend andererseits, schreibt der Duden, besagt, dass etwas allem Anschein nach tatsächlich so ist, wie es sich darstellt.

Es sieht also so aus, als wäre es wirklich so.

Nochmal die Eselsbrücke: Es käme wohl niemand auf die Idee, nur anscheinend zu sagen oder schreiben. Also immer ausprobieren: Wenn es zusammen mit nur richtig klingt, dann ist es scheinbar und nicht wirklich.
Wenn das nur keinen Sinn ergibt, dann ist es anscheinend, also sehr wahrscheinlich wirklich.

Bitte schön.

Red’ mit dir!

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Als Mosaik gestaltetes Porträt einer Person mit großen Augen und roten Lippen, viele bunte Muster im Hintergrund. Durch digitale Bildbearbeitung ist das Gesicht gespiegelt, und es wirkt, als spräche es mit sich selbst.
Bild: Giulia May via Unsplash.

Schön ist ja, wie es seit einigen Jahren immer normaler wird zu erleben, dass Leute auf der Straße mit sich selbst sprechen.

Schon klar, meistens ist schlicht der kleine Knopf im Ohr nicht zu sehen, der die Sprechenden mit mobil verknüpften Angesprochenen verbindet. Aber es wirkt, als seien sie tatsächlich im Dialog mit sich selbst. Und der hat einen schlechten Ruf – deswegen ist diese Entwicklung so erfreulich. Weil sie hoffentlich, hoffentlich dazu führt, dass Mit-sich-selbst-Sprechende nicht mehr länger angeguckt werden, als seien sie mental beschädigt oder womöglich gar gefährlich.

Jener schlechte Ruf, den das Selbstgespräch hat, ist nämlich – mindestens teilweise – sehr unberechtigt.

So lange die Person noch von der Außenwelt erreichbar bleibt, so lange der Dialog mit sich selbst also keine Sich-Verschließen vor der Welt bedeutet, ist er ein gutes Hilfsmittel zur Selbstreflexion.

Vor einer Zimmertür ist der Rücken einer Person in schwarzer Kleidung zu sehen, die sich selbst umarmt.
Bild: Hala Al-Asadi via Unsplash.

Das WDR-Wissensmagazin Quarks zum Beispiel schreibt auf seiner Website: (…) Pragmatiker sprechen gut und viel mit sich selbst und können eine Problemlösung zielstrebig angehen.

Und verlinkt eine Studie (PDF-Download) der Psycholinguistin Anke Werani von 2009, in deren Zusammenfassung es heißt: In diesem Artikel wurde gezeigt, wie mit der Methode des lauten Denkens ein Zugang zum inneren Sprechen gefunden werden kann. (…) In konstruktiver, ermutigender und motivierender Form wirkt sich das innere Sprechen überaus positiv auf den Problemlöseprozess und damit die Problemlösegüte aus, es übernimmt Funktionen wie beispielsweise Selbstregulation, Reflexion über die momentane Tätigkeit sowie die eigentliche Problemlösung.

Schon vor Jahren sprach DER SPIEGEL mit der Psychologin Corinna Reichl vom Uniklinikum Heidelberg, und wenn der Artikel auch warnte: In Verbindung mit Einsamkeit können häufige Selbstgespräche ein Risikofaktor sein, so wurde Reichl doch so zitiert: Selbstgespräche sind in einem angemessenen Rahmen ganz und gar nicht schlecht.

Denn, so schreibt das Magazin weiter: Während eines Selbstgesprächs seien im Gehirn die gleichen Regionen aktiv wie bei einem tatsächlichen Dialog. Dies könne zu dem vorübergehenden Gefühl führen, in eine soziale Interaktion eingebunden zu sein

Es gibt der Quellen reichlich mehr, die eine wohltuende, unterstützende Wirkung des inneren Dialogs bestätigen; am schönsten aber bringt es vielleicht das Wissenschaftsmagazin Spektrum auf den Punkt: Schweigen ist Silber, Reden ist Gold.

Sinn machen.

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An den Wortpranger werden in diesem Blog Wörter gestellt, die – aus verschiedensten Gründen – nicht existieren sollten. Und ja, die Auswahl ist zu einhundert Prozent subjektiv. Allerdings auch immer begründet.

Wer den wunderbaren, um nicht zu sagen: hervorragenden, Film »Eins, zwei, drei« (im Original »One, Two, Three«) von Billy Wilder gesehen hat, wird sich an den Ausruf des Coca-Cola-Chefs C. R. MacNamara (unglaublich gut: James Cagney) erinnern:

Sitzen machen! schnauzte der gerne seine Untergebenen an. Auch im amerikanischen Original.

Ungefähr so klingt auch Sinn machen, einer jener Anglizismen, die nicht wirklich bereichernd sind.

Es stimmt schon, die englische Sprache verwendet das Wort »make« für alles mögliche.

Soll sie doch! Bitte gern!

Sollen englisch sprechende Menschen doch Freunde machen, es auf dem Rückweg nach New York machen, es noch ganz knapp auf die Party machen, einen Lebensunterhalt machen, eine Rede machen, jemanden etwas tun machen; immerhin, auch im Deutschen machen Kleider Leute.

Aber hierzulande kann etwas nicht einfach aus dem Nichts »Sinn machen«, also erschaffen. Es muss sich schon etwas mehr anstrengen, in Demut üben und »Sinn ergeben«.

Aber nein, lieber ergeben sich die meisten deutschsprachigen Menschen dem Englischen. Das sprechen ja auch viel mehr Leute, also, logisch: Macht Sinn.

Lohnenswert.

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An den Wortpranger werden in diesem Blog Wörter gestellt, die – aus verschiedensten Gründen – nicht existieren sollten. Und ja, die Auswahl ist zu einhundert Prozent subjektiv. Allerdings auch immer begründet.

Es hat sich durchgesetzt, also muss es wohl vielen Menschen einleuchtend erscheinen – was aber vermutlich auf ein Beinahe-Homophon zurückzuführen ist:

Lobenswert ist nämlich ein völlig zu recht existierendes Wort, mit dem sich zugleich auch der Unsinn von lohnenswert prima erläutern lässt.

Wenn etwas lobenswert ist, dann ist es wert, gelobt zu werden. Ganz so, wie auch gilt:
hörenswert = wert, gehört zu werden,
sehenswert = wert, gesehen zu werden,
empfehlenswert = wert, empfohlen zu werden.

Okay, mit dieser Logik nun zurück zum Ausgangspunkt:
Lohnenswertwert, gelohnt zu werden. Denn gelohnt zu werden ergibt einfach überhaupt keinen Sinn.

Kurzer Einschub: Wer jetzt sagt: Aber was ist mit belohnt zu werden, der*m sei gesagt: Das ist etwas völlig anderes; das ist auch nicht, was das Wort in seiner alltäglichen Verwendung ausdrücken soll; und schließlich: Dann müsste es belohnenswert heißen.

Und auch die eventuell ins Feld geführte Option, wert, sich zu lohnen ist offensichtlicher Unfug.

Aber schlimmer noch ist fast: Es gibt doch längst ein Wort, das genau das ausdrückt, was lohnenswert gern ausdrücken würde:

Ladies and Gentlemen, Mesdames et Messieurs, et voilà:

Lohnend.

Ist obendrein sogar noch kürzer. Und eigentlich setzen sich doch die kürzeren meistens durch.

Diesmal leider nicht.

Das kürzere lohnend hat den Kürzeren gezogen zugunsten des fürchterlichen lohnenswert.

Es geht eben oft nicht gerecht zu in der Welt. Auch nicht in der Welt der Sprache.

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